Politik

In etwa jedem dritten Fall klagen abgelehnte Asylbewerber gegen den Bescheid. (Foto: dpa/Bildagentur-online/Ohde)

19.09.2025

Die Klageflut im Asylbereich wächst

Abgelehnte Asylbewerber klagen häufig – wird Prozesskostenhilfe beantragt, muss der Staat das bezahlen. Die Zahl der Klagen steigt stark an, auch in Bayern

Abgelehnte Asylbewerber, die vor Gericht ziehen, erhalten oft Prozesskostenhilfe. Diese Hilfe gibt es, wenn jemand die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Außerdem, so Bayerns Innenministerium, müsse eine Klage „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ haben. Offenbar ist das recht häufig der Fall.

Prozesskostenhilfe sorgt für Chancengleichheit bei der Wahrnehmung von Rechten. Der mittellose Flüchtling soll dadurch vor Gericht dieselben Chancen haben wie der gut bezahlte Lehrer oder die Professorin. Wird ein Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt und droht dem- oder derjenigen die Abschiebung, kann die betreffende Person gegen den Bescheid Klage vor einem Verwaltungsgericht erheben. Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks geschieht dies bundesweit in etwa jedem dritten Fall.

Klagende Asylbewerberinnen und Asylbewerber können sich von einem Anwalt unterstützen lassen. Können sie diesen nicht bezahlen, kann um Prozesskostenhilfe gebeten werden. Um Missbrauch zu verhindern, muss diese umfangreich beantragt werden.

Die AfD ist empört, die CSU hält sich bedeckt

Die Antragstellenden geben dabei eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Das betrifft die Familienverhältnisse, den Beruf, eventuelles Vermögen, Einkommen sowie Lasten. Dies alles ist durch Kopien zu belegen. Bekannt ist indes: Viele Geflüchtete haben keinerlei Papiere bei sich. Letztlich entscheidet das Gericht darüber, ob Prozesskostenhilfe bewilligt wird.

Da die Mittel für Prozesskostenhilfe von der Allgemeinheit durch Steuern aufgebracht werden, muss das Gericht laut Bundesjustizministerium sorgfältig prüfen, ob ein Anspruch besteht. Nicht selten werden Anträge von Asylbewerbern auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Innerhalb eines Monats nach der Ablehnung kann hiergegen Beschwerde eingelegt werden.

Unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bezeugt das bayerische Innenministerium, dass es eine Flut von Klagen abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Freistaat gibt. „2024 sind, inklusive Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, 20 506 Verfahren im Asylbereich eingegangen“, teilt Pressesprecherin Anna-Magdalena Haßkerl mit. Heuer waren es nur bis Ende August schon rund 23 000 Verfahren.

Asylverfahren, erläutert sie weiter, seien grundsätzlich gerichtskostenfrei. In wie vielen Fällen Prozesskostenhilfe gewährt wurde, weil das Verfahren als erfolgreich eingeschätzt worden war, und welche Kosten dadurch für den Staat entstanden sind, wisse das Innenministerium nicht.

Die vielen Asylverfahren kosten Zeit. Sie kosten Personal. Und sie kosten Geld. Laut Bayerns Innenministerium stellen sie die Verwaltungsgerichte im Freistaat jedoch vor keine allzu große Herausforderung. Die Gerichte sind laut Pressestelle „gut gerüstet“.

Positiv wirkt sich dabei die im Juli gestartete Digitalisierung der Verfahrensakten aus: „Dadurch ist auch der Weg für die weitere Implementierung von KI-Anwendungen geebnet.“ Obwohl sehr viele Verfahren eingehen, hätten die Verfahrenslaufzeiten verkürzt werden können. Sie liegen laut Pressesprecherin Haßkerl nun bei 7,9 Monaten. Im August 2023 waren es noch 15,6 Monate gewesen.

Viele Verwaltungsrichter haben sich auf das Gebiet „Asylrecht“ spezialisiert. „Das Verwaltungsgericht München wurde zu Jahresbeginn um zwei Schwerpunktkammern Asyl verstärkt“, berichtet Haßkerl. Dem Verwaltungsgericht Augsburg wurden ebenfalls zwei neue Stellen zugewiesen, sodass auch dort eine zusätzliche Kammer errichtet werden konnte.

Hintergrund ist eine im September 2024 in Kraft getretene Verordnung zur Konzentration von Asylverfahren. Dadurch können Asylverfahren bestimmter Herkunftsstaaten unabhängig vom Wohnort des oder der Geflüchteten bei speziellen Gerichten konzentriert werden.

Die einzige Maßnahme, die Zahl an gerichtlichen Asylverfahren in Bayern zu reduzieren, wäre laut Innenministerium ein „nachhaltiger Rückgang an Asylanträgen beim BAMF“. An der Prozesskostenhilfe lasse sich kaum drehen. „Die Vorschriften der Prozesskostenhilfe fußen auf den verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien des Rechts- und Sozialstaatsprinzips und können daher nur unter engen Voraussetzungen geändert werden“, erklärt die Pressestelle.

Die AfD sieht es anders. Nach Ansicht von Martin Böhm, AfD-Landtagsabgeordneter aus Oberfranken, sollte der Anspruch auf Prozesskostenhilfe bei Asylverfahren versagt werden. „Das Erlangen von Prozesskostenhilfe wird, wie auch die anwaltschaftliche Vertretung selbst, meist von Hilfsorganisationen organisiert“, kritisiert er. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht, obwohl vor dem Verwaltungsgericht erstinstanzlich gar kein Anwaltszwang existiert.

Mehr noch müsste sich nach Meinung von AfD-Mann Böhm ändern. Das etablierte Recht, einen abgelehnten Asylantrag gerichtlich überprüfen zu lassen, dient nach seiner Einschätzung „weniger der Überprüfung von Fakten, sondern wird in überwiegender Weise missbraucht, um gerechtfertigte Abschiebungen zu verzögern“. Diese Praxis gehöre umgehend beendet: „Eine akzeptable Lösung könnte sein, eine interne Revisionsstelle des BAMF zu schaffen, auf die im Rechtsbehelf verwiesen wird.“ Dort wäre die Prüfung allerdings ausschließlich auf formale Fehler des Entscheiders abzustellen: „Ohne weitere Anhörung und ohne Zulassung eines Rechtsvertreters.“

Verfahren ließen sich rechtsstaatlich beschleunigen

Einige christliche Politiker gerieten in den letzten Jahren wegen der Asylklageflut ebenfalls in Harnisch. „Auch ohne die Rechtsstaatlichkeit einzuschränken, gibt es noch jede Menge Möglichkeiten, Verfahren zu beschleunigen, schnell Rechtssicherheit für alle Betroffenen zu schaffen und Kosten deutlich zu reduzieren“, erklärte etwa Heribert Hirte bereits 2015. Der Hamburger Juraprofessor gehörte damals für die CDU dem Bundestag an. Asylbewerber, legte er dar, könnten in Gruppenvorträgen über ihre Rechte und Pflichten sowie über Folgen bei Falschaussagen aufgeklärt werden. Außerdem sei über die Einführung von Musterprozessen auch im Verwaltungsrecht nachzudenken.

Während sich Heribert Hirte vor zehn Jahren weit herauswagte, hält sich die CSU in Bayern bedeckt. Der Bitte der Staatszeitung um Einschätzung der gängigen Praxis bei Asylverfahren wollte man nicht nachkommen. CSU-Sprecher Valentin Oswald bat darum, sich ans Bundesinnenministerium zu wenden. (Pat Christ)

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