Es war ein regelrechter Kulturkampf, der zu Beginn des vergangenen Jahres tobte: Gegner der sogenannten Turbo-Einbürgerung beschworen regelrecht den Untergang des Abendlandes, während Befürworter hofften, dass gut integrierte Migranten zuhauf die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Die von der Ampel durchgeboxte Reform erlaubt die Einbürgerung von Ausländern bereits nach drei Jahren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind: Die Antragsteller müssen nicht nur ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, sondern auch gute Leistungen in Schule oder Job, hervorragende Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement vorweisen können.
Am 27. Juni 2024 trat die Reform in Kraft. Doch rund ein Jahr später zeigt sich, dass die Reform bislang ein Rohrkrepierer ist. Das ergaben Anfragen der Staatszeitung bei zahlreichen bayerischen Kommunen. So verzeichnete etwa Regensburg vom 27. Juni 2024 bis zum 16. Juni 2025 gerade einmal zehn Turbo-Einbürgerungen. In Nürnberg waren es im gleichen Zeitraum zwölf Blitz-Einbürgerungen, in Ingolstadt vier, in München und Passau jeweils eine und in Kempten gleich gar keine. Bamberg schätzt die Zahl der Menschen, die seit Juni 2024 in drei oder vier Jahren eingebürgert wurden, auf maximal fünf.
Nachfrage nach Turbo-Einürgerung nahezu nicht vorhanden
Daran, dass die Beamten die Regelungen besonders streng auslegen, liegt die geringe Zahl an Genehmigungen offenbar nicht. „Die Nachfrage war bis heute auch faktisch nahezu nicht vorhanden“, sagt etwa ein Sprecher der Stadt Kempten. Und auch die grün-rote Landeshauptstadt München ist nicht unbedingt für eine besonders harte Auslegung des Ausländerrechts bekannt. „Mit der Turbo-Einbürgerung sollte ein Anreiz geschaffen werden. In der Praxis hat die Abschaffung keine großen Auswirkungen“, sagt Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) der BSZ.
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Achim Brötel (CDU), konstatiert, die Turbo-Einbürgerungen seien „ein schönes Beispiel dafür, dass reine Symbolpolitik allein eben nicht zwingend auch mit der konkreten Lebenswirklichkeit übereinstimmen muss“. Tatsächlich dürfte bayernweit bislang maximal eine niedrige dreistellige Zahl an Einbürgerungen mit einer kürzeren Frist als fünf Jahre vollzogen worden sein. Zwischen Ende Juni 2024 und Ende April 2025 gab es laut einer Auswertung des Innenministeriums 78 Turbo-Einbürgerungen – das waren gerade einmal rund 0,14 Prozent aller Einbürgerungen in diesem Zeitraum. Nachdem Schwarz-Rot im April jedoch bekannt gab, dass man die Drei-Jahres-Regelungen wieder abschaffen will, zog die Zahl der Einbürgerungen in mehreren Kommunen wie Regensburg etwas an – allerdings auf niedrigem Niveau.
Innenminister Herrman würde Reform gerne komplett kippen
Auch bundesweit nutzen Migranten den Turbo kaum. In Hamburg wurden bislang nur fünf Menschen auf dieser Basis eingebürgert. In Baden-Württemberg profitierten im vergangenen Jahr nur 16 Personen von dem Modell, in Brandenburg in einem Fall. Von „wenigen Fällen“ ist in Nordrhein-Westfalen die Rede. Lediglich in Berlin stieß die Turbo-Einbürgerung auf große Resonanz – dort nutzten bereits über 500 Menschen diese Option, um an einen deutschen Pass zu kommen.
Klar ist: Die von Schwarz-Rot geplante Abschaffung der Turbo-Einbürgerung ist nur symbolischer Natur.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hält die Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts durch die Ampel nach wie vor für einen Fehler. Er würde sogar gerne die Fünf-Jahres-Frist für reguläre Anträge wieder kippen. „So schnell kann eine wirkliche Verankerung in unserer Gesellschaft nicht erreicht werden.“ Er begrüße es, dass Schwarz-Rot zumindest die Turbo-Einbürgerung nach drei Jahren wieder abschafft, sagt der CSU-Politiker der BSZ.
Grünen Fraktionsvize Notz hält Abschaffung für Fehler
Bayerns Linken-Chef Martin Bauhof fordert dagegen, die Turbo-Einbürgerung attraktiver zu machen. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, kritisiert Schwarz-Rot ebenfalls: „Die geplante Abschaffung geht in die völlig falsche Richtung. Sie soll suggerieren, dass die Bundesregierung hart in Sachen Migration vorgeht.“ Mit dem Abschaffen der Turbo-Einbürgerung verhindere sie Migration von Hochqualifizierten. Dies sei „ein fatales Zeichen für unsere Einwanderungsgesellschaft und die Wirtschaft“. (Tobias Lill)
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