Politik

15.05.2025

SPD-Abgeordnete diskutiert mit Extremismusforscher: Soll man die AfD verbieten?

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steht einem Verbotsverfahren gegen die AfD skeptisch gegenüber. Doch in mehreren Parteien gibt es Befürworterinnen und Befürworter. Eine davon ist die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge. Sie fordert ein Verbot der AfD. Eckhard Jesse, Extremismusforscher und emeritierter Professor an der TU Chemnitz, ist da anderer Meinung

JA

Carmen Wegge, Abgeordnete der SPD im Bundestag

Ich setze mich seit Langem für ein AfD-Verbotsverfahren ein und werde dies weiter tun. Das Grundgesetz sieht aus historischen Gründen die Möglichkeit einer solchen Prüfung vor. Schon einmal hat in Deutschland eine demokratisch gewählte Partei die Demokratie abgeschafft.

Ich bin überzeugt, dass die Voraussetzungen bei der AfD für ein solches Verbot erfüllt sind. Die AfD ist die größte Gefahr für unsere Demokratie. Sie verstößt gegen Menschenwürde, Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip, verbreitet Hass und nutzt jede Einflussmöglichkeit, um parlamentarische Prozesse zu blockieren oder verächtlich zu machen. Ihr völkisch-nationalistischer Volksbegriff führt zu rassistischer Ungleichbehandlung, auch gegenüber Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund. Hinter dem Begriff „Remigration“ versteckt sich die Idee von massenhaften Deportationen. Sie verharmlost NS-Verbrechen und beschäftigt in den Parlamenten Extremist*innen, die somit Zugang zu sensiblen Informationen erhalten. Mitglieder der AfD sind Teil von terroristischen Vereinigungen. Inzwischen gilt die AfD beim Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“. Damit bestätigt die Behörde, was wir im Parlament schon lange sehen konnten.

Die Partei klagt nun dagegen und das ist natürlich auch ihr gutes Recht, doch Gerichte haben dem Verfassungsschutz in den bisherigen Verfahren klar recht gegeben und werden das meiner Einschätzung nach auch weiterhin tun. Die politisch-gesellschaftliche und juristische Auseinandersetzung mit der AfD schließen sich nicht aus – sollten aber in der Debatte um ein Verbotsverfahren nicht vermischt werden. Politische und gesellschaftliche Maßnahmen wurden und werden zahlreich ergriffen, reichen aber nicht aus.

Letztendlich wäre der Schaden für die Demokratie größer, wenn wir den Antrag nicht stellen, als wenn wir ihn stellen und verlieren. Denn unsere Demokratie wie wir sie kennen, wird es sonst wahrscheinlich nicht mehr geben. 

NEIN

Eckhard Jesse, Extremismusforscher und emeritierter Professor an der TU Chemnitz

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine streitbare Demokratie. Sie basiert auf der Wertgebundenheit, der Abwehrbereitschaft und der Vorverlagerung des Demokratieschutzes. Zu ihren Instrumentarien gehört auch das schärfste Schwert, das Parteienverbot. Darüber entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht, und zwar nur auf Antrag eines von drei Verfassungsorganen (Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat). Verboten wurden bisher die SRP und die KPD.

Voraussetzung für ein Verbot ist ein planvolles Handeln und eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Zu dieser gehört nach dem zweiten NPD-Verbotsverfahren der Dreiklang aus der Garantie der Menschenwürde, dem Demokratieprinzip und der Rechtsstaatlichkeit. Die AfD als eine populistische Kraft agi(ti)ert zwar wider die Eliten, aber sie erfüllt nicht die Kriterien für ein Verbot, wiewohl bei Teilen extremistische Züge unverkennbar sind. Zwar hat sich die Partei insgesamt radikalisiert, aber die Fairness gebietet den Verweis auf deren „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“ aus dem Jahr 2021: „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Stimme aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.“ Wer hier von einem Lippenbekenntnis spricht, hat dafür den Beleg anzutreten.

Der Ruf nach einem Verbot der AfD, weder nötig noch überhaupt möglich, verweist auf illiberale Tendenzen in der deutschen Gesellschaft. Gerade Anhänger der streitbaren Demokratie müssen davor warnen, etwa vor der im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen 2021 eingeführten Kategorie der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“. Eine offene Gesellschaft zeichnet sich durch Vielfalt aus. Es mag paradox und provokativ klingen, doch so funktioniert ein Gemeinwesen: Zum Schutz der Demokratie gehört auch das Gebot vor einem AfD-Verbot. Berlin ist nicht Weimar, die AfD nicht die NSDAP.
 

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