Politik

04.05.2025

SPD-Chef Klingbeil will AfD politisch "kleinkriegen" - Streit um AfD-Beamte

Laut Verfassungsschutz ist die AfD gesichert rechtsextremistisch. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will prüfen, "welche Konsequenzen diese Einstufung für die Tätigkeit von AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst haben muss". Unterstützung für die Rachtsaßen-Partei kommt dagegen von Viktor Orban. Derweil hat SPD-Chef Lars Klingbeil klare Vorstellungen, wie die AfD beizukommen ist.


 Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch den Verfassungsschutz hat eine Debatte über den Umgang mit ihren Parteimitgliedern im Staatsdienst ausgelöst. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul warnte hier allerdings vor Schnellschüssen. Der CDU-Politiker sagte dem WDR: "Man muss, wenn man jemanden aus dem öffentlichen Dienst entfernen will, nachweisen, dass genau diese Person ihre Treuepflicht gegenüber dem Staat verletzt hat." Er plädierte zur Vorsicht und fügte hinzu: "Und da ist eine Mitgliedschaft in einer Organisation ein Grund - aber ob das ausreicht? Glaube ich nicht, das wird man sehen. Es muss in jedem Fall einzeln nachgeprüft werden."

Hinweis an Thüringer Beamte schon vor Jahren 

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Beamten in seinem Bundesland seien nach der Einstufung des AfD-Landesverbands als gesichert rechtsextremistische Bestrebung 2021 schriftlich belehrt worden, dass ein Engagement für die Partei disziplinarrechtliche Folgen haben könne. "Eine bloße Mitgliedschaft reicht dafür aber nicht aus", fügte er hinzu.

Die Einzelfallprüfung gelte ebenso für angehende Beamte, also für Leute im Referendariat, sagte Reul. Auch da gebe es keinen Automatismus. 

Mitarbeiterbefragungen zu Parteimitgliedschaften sind für Beamte auch in den Sicherheitsbehörden nicht vorgesehen. Bei Sicherheitsüberprüfungen, denen sich Beschäftigte etwa bei der Polizei, der Bundeswehr und den Nachrichtendiensten regelmäßig unterziehen müssen, sollen aber etwaige Mitgliedschaften in extremistischen Parteien und Gruppierungen angegeben werden. 

Am Freitag war bekanntgeworden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Seitdem wird über mögliche Konsequenzen diskutiert. Reul betonte, dass die NRW-Behörden die Dokumentation des Bundesverfassungsschutzes jetzt gründlich auswerten würden. Dabei werde geprüft, welche Konsequenzen das Land ziehen könne. "Ich bin kein Freund von Schnellschüssen", betonte Reul. Mögliche staatliche Maßnahmen müsste am Ende auch vor Gericht Bestand haben. 

Innenminister wollen sich mit neuer AfD-Bewertung befassen

Das Thema soll auch bei der nächsten Innenministerkonferenz der Länder besprochen werden, wie eine Sprecherin des IMK-Vorsitzenden sagte. Den Vorsitz hat Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) in diesem Jahr inne.
Die Konferenz ist für den 11. bis 13. Juni 2025 in Bremerhaven geplant. Diskutiert wird über dreierlei: mögliche Folgen für AfD-Mitglieder im Staatsdienst, die staatliche Parteienfinanzierung und ein mögliches AfD-Verbotsverfahren.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der "Bild": "Wir müssen auch prüfen, welche Konsequenzen diese Einstufung für die Tätigkeit von AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst haben muss." Auch gebe die Entscheidung des Verfassungsschutzes "Anlass zu prüfen, ob die AfD auf dieser Grundlage von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann".

Debatte über mögliches AfD-Verbot

Ein Antrag auf Verbot einer extremistischen Partei kann vom Bundestag, der Bundesregierung oder dem Bundesrat gestellt werden. Die Entscheidung darüber trifft das Bundesverfassungsgericht. Der betroffenen Partei müsste in einem solchen Verfahren nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die Verfassung vorgeht. 

Bislang habe es für einen Antrag auf ein AfD-Verbot im Bundesrat leider keine Mehrheit gegeben, sagte Thüringens Innenminister Maier. Er äußerte gleichzeitig die Hoffnung, dass sich dies nach der Neubewertung der Partei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nun ändern werde. Auch im Bundestag sehe er mittlerweile eine Chance für eine Mehrheit. 

Maier sagte, die Art und Weise, wie die AfD Gerichtsurteile infrage stelle sowie Richterinnen und Richter beschuldige, liefere hier deutliche Hinweise. Das aggressiv kämpferische Element sei beispielsweise in der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtages zum Ausdruck gekommen. Die Sitzung versank Ende September wegen des Auftretens von AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler zeitweise im Chaos. 

Klingbeil: Verbotsantrag würde politischen Kampf nicht ersetzen

Nach Auffassung von SPD-Chef Lars Klingbeil kann ein mögliches AfD-Verbotsverfahren den politischen Kampf gegen die Partei nicht ersetzen. Der "Bild am Sonntag" sagte er: "Was ich nicht glaube, ist, dass ein mögliches Verbotsverfahren, was jahrelang dauern könnte, das alleinige Instrument ist, um die AfD kleinzukriegen. Wir müssen uns politisch anstrengen." Die Regierung müsse mit einem anderen politischen Stil den Menschen Sicherheit geben und nicht durch Streit auffallen.

In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Insa für die "Bild am Sonntag" sind 48 Prozent der Befragten dafür, dass die AfD jetzt verboten wird. 37 Prozent sind dagegen, 15 Prozent wissen es nicht. Zudem halten 61 Prozent die AfD für eine rechtsextremistische Partei, 31 Prozent tun dies nicht, 8 Prozent wissen es nicht. Insa befragte am Freitag und Samstag 1.001 Menschen. 

Solidaritätsbekundung für die AfD von Orban

Moralische Unterstützung bekam die AfD, die angekündigt hat, sich juristisch gegen die Neubewertung durch den Verfassungsschutz zur Wehr setzen zu wollen, von Ungarns Regierungschef, Viktor Orban. Er schrieb bei X in englischer Sprache: "Was zum Teufel ist los in Deutschland? Du kannst auf uns zählen @Alice Weidel!". Dazu postete er ein Foto, auf dem er der Co-Vorsitzenden der AfD die Hand schüttelt. Weidel verbreitete seine Solidaritätsbekundung auf X und dankte Orban für seine "ermutigenden Worte".

Mitgliederzahl wächst rasant

Die Mitgliederzahl der AfD war zuletzt derweil regelrecht explodiert. Bundesweit stieg deren Zahl nach Parteiangaben von 29.296 Ende 2022 bis zum 31. Dezember vergangenen Jahres um 75 Prozent auf 51.370. Und der Boom ist ungebrochen: „Aktuell haben wir knapp 60.000 Mitglieder. Tendenz stark steigend“, sagt AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter der BSZ. Es würden zudem noch weitere 10.000 Mitgliedsanträge vorliegen, „die von unseren Mitarbeitern abgearbeitet werden“.

Auch in Bayern rasanter Mitgleiderzuwachs

Im Freistaat hatte die in Teilen rechtsextreme Partei laut Landeschef Stephan Protschka am 1. April dieses Jahres 8561 Mitglieder – Ende 2024 waren es erst 7205. Seit Dezember 2022 konnte die AfD ihre Mitgliederzahl von damals 4361 beinahe verdoppeln. Von 2020 bis 2022 hatte sie in Bayern noch Mitglieder verloren, um ab 2023 rasant zu wachsen – offenbar aus Verdruss über die Ampel-Politik. (dpa/till)

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