Ein turbulentes Jahr geht zu Ende. Eine bedeutende Wegmarke für die Parteien im Freistaat stellte die Bundestagswahl dar. Nicht für alle ist sie gut gelaufen. So verpassten die Freien Wähler erneut den Einzug in den Bundestag, während die Linke überraschend stark abschnitt. Eine Bilanz.
CSU bleibt stabil, doch Söders Stern sinkt
Die CSU bleibt der Stabilitätsanker im demokratischen Parteienspektrum. Sie war maßgeblich am Sieg der Union bei der Bundestagswahl beteiligt. Entsprechend breitschultrig zog Parteichef Markus Söder in die Berliner Koalitionsverhandlungen und setzte zentrale Wahlversprechen wie die Mütterrente durch. In Umfragen verliert die CSU als einzige Landtagspartei nichts an die stärker werdende AfD. Vom Ziel, die AfD kleinzuhalten, ist die CSU trotzdem weit entfernt. Ihre Abhängigkeit von Parteichef Söder ist im Laufe des Jahres noch größer geworden, von einer selbstbewussten Landtagsfraktion ist nur in Ansätzen etwas zu spüren.
Andererseits ist Söder gerade in einer Findungsphase, nachdem es keine Ampel mehr gibt, auf die er schimpfen kann. Er fremdelt mit den Niederungen der Landespolitik. Der Rückhalt für und die Begeisterung über den Chef war in der CSU schon mal größer.
Die AfD legt stark zu, wird aber ihr Schmuddelkinderimage nicht los
Gemessen an Umfragewerten ist es für die AfD ziemlich gut gelaufen. Deren Zuspruchswerte liegen in Bayern aktuell bei 21 Prozent, bei der Landtagswahl vor zwei Jahren hatte sie 14,6 Prozent erreicht. Das ändert nichts daran, dass die AfD ihren Schmuddelkinderstatus weiter ausgebaut hat. Im Landtag provozierte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner vor der Sommerpause mit einem krawalligen Auftritt, den selbst AfD-Leute daneben fanden. Die Landtagsfraktion präsentiert sich zerrissen, gemäßigtere Leute haben kaum Chancen. So lehnte man einen Antrag der anderen Fraktionen mehrheitlich ab, der für Bayern als weltweit erste Zweigstelle der Yad-Vashem-Gedenkstätte warb. Drei AfDler hielten das für ein falsches Signal und stimmten für die Initiative. Die AfD macht es ihren politischen Gegnern regelmäßig leicht, die Brandmauer-Maxime hochzuhalten.
Die Grünen im Zwiespalt: Harte Opposition oder die Tür zur CSU offenhalten?
Obwohl die Ampel zerbrochen ist, stagnieren die Grünen in Umfragen bei 11 Prozent. Das entspricht ihrer Kernwählerschaft in Bayern. Fraktionschefin Katharina Schulze mahnte deshalb im Herbst einen neuen Spirit in der Partei an. Weg vom Mahnen und Warnen vor Veränderungen und Herausforderungen hin zu Lösungen und neuen Antworten. „Mehr Patente statt Problembeschreibungen“, lautete eine ihrer Parolen. Positiver Wandel und Zuversicht, damit will Schulze wieder mehr Menschen begeistern.
Allerdings leben die Grünen in einem Zwiespalt: Harte Opposition in Bayern oder doch die Tür offen halten für eine Koalition mit der CSU nach 2028? Ausdiskutiert ist das noch nicht. Weshalb man öffentlich gerade einen verschärften Konfrontationskurs gegen die CSU führt, aber abseits von Kameras und Scheinwerfern themenspezifische Gemeinsamkeiten auslotet.
Die Freien Wähler leiden an mangelnder Außenwirkung - und haben an Zuspruch verloren
Die Freien Wähler versinken, was Außenwirkung anbelangt, im politischen Nirwana. Dabei hatte es für die Truppe von Parteichef Hubert Aiwanger furios begonnen: Bei der Landtagswahl wurden sie mit fast 16 Prozent zweitstärkste Kraft. Das lag zum Teil an Solidaritätseffekten im Nachgang zu Aiwangers Flugblattaffäre. Aber auch generell an seinem vielfach geschätzten Klartextsprech – etwa seinem Wutauftritt bei der Erdinger Demo gegen das Heizungsgesetz. Das Klartextsprechen wurde ihm von Markus Söder ausgetrieben, der nach Aiwangers angedrohtem Veto der neuen Megaschulden des Bundes mit einem Bruch der schwarz-orangen Koalition drohte. Nach der vergeigten Bundestagswahl musste Aiwanger parteiinterne Kritik erdulden. Sein rechtskonservativer Kurs behagt nicht allen. In Umfragen ist der Zuspruch für die FW auf 10 Prozent zusammengeschmolzen.
SPD, quo vadis?
Die SPD kämpft ebenso wie die Grünen mit einer Kursbestimmung. Seit ihr neuer Fraktionschef Holger Grießhammer der CSU seine Fraktion als Ersatzpartner für die Freien Wähler angeboten hat, sucht die SPD die richtige Mischung aus Attacke und konstruktiver Opposition. Mit dem ideologiefreien Grießhammer, der die gerne etwas realitätsvergessene Partei wieder an das Leben der Menschen andocken will, hat sich auch das Machtgefüge in der SPD etwas verschoben.
In Sebastian Roloff ist zudem ein neues Gesicht zum Co-Vorsitzenden der Partei gewählt worden, der linke Attitüde mit pragmatischer Wirtschaftspolitik verbindet. Gewirkt hat das alles noch nicht, in Umfragen taumelt die SPD der Fünf-Prozent-Hürde entgegen. Vor diesem Hintergrund geht es in Partei und Fraktion überraschend harmonisch zu. Es könnte aber auch die Ruhe vor dem nächsten Sturm sein.
Die Linke legt auch in Bayern deutlich zu
Für die Linke war es ein turbulentes Jahr. Noch im Januar hätte die Partei laut Umfragen den Einzug in den Bundestag verpasst. Der Linken drohte das Schicksal einer nur mehr in den Stadtstaaten sowie ostdeutschen Ländern relevanten Kraft. Dank Friedrich Merz kam es anders. Die Unionsfraktion votierte unter seiner Führung kurz vor Ende der Legislaturperiode bei einer Abstimmung im Bundestag für eine strengere Migrationspolitik, gemeinsam mit der AfD. Medial ein absoluter Tabubruch – und der ersehnte Rettungsring für die Linke.
Die Partei inszenierte sich als die Vorkämpferin gegen die AfD schlechthin. Sie kam bei der Bundestagswahl auch dank einer hippen Social-Media-Kampagne auf fast 9 Prozent, in Bayern gelang es ihr, ihre Stimmenzahl mehr als zu verdoppeln. Die Mitgliederzahl im Freistaat explodierte auf zuletzt gut 9500. Das sind beinahe dreimal so viele wie noch Ende 2024.
Und wo ist eigentlich die FDP, wofür steht sie noch?
Die FDP ist als politische Kraft in Bayern praktisch von der Bildfläche verschwunden. Bei der Landtagswahl 2023 war sie mit 3 Prozent spektakulär gescheitert – trotz des engagierten, klugen und eloquenten Spitzenkandidaten Martin Hagen. Er hat sich inzwischen aus der aktiven Politik zurückgezogen. Sein Nachfolger als Landeschef, Michael Ruoff, mag ein honoriger Mann sein, aber außerhalb von FDP-Zirkeln hat niemand je von ihm gehört.
Wofür die FDP derzeit steht, warum man sie wählen soll – niemand weiß es. Ein Blick auf die Webseite der Bayern-FDP hilft nicht weiter. Dort freut man sich unter anderem darüber, dass der Wolf abgeschossen werden darf, und fordert, das Landespflegegeld komplett statt nur halb zu streichen. Kein Wunder, dass die FDP in Bayern von Demoskopen inzwischen auf 2 Prozent taxiert wird.
(Tobias Lill, Waltraud Taschner, Jürgen Umlauft)
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